Im Oktober betrat die Autorin Annette
Böhler mit ihrem vom Verlag »Stimme fürs Leben« veröffentlichten Debütroman »Ohne dich wär ich nicht ich« die Buchwelt, einem Liebesroman mit besonders anspruchsvollem Thema. Im
Interview mit Leserkanone.de sprach die frischgebackene Autorin über ihr erstes Buch, den umfangreichen Arbeitsaufwand und über ihre zukünftigen Projekte.
– Frau Böhler, vermutlich hat noch nicht jeder Besucher unserer Webseite Notiz von Ihrem Debütroman genommen. Könnten Sie unseren Lesern »Ohne dich wär ich nicht ich« kurz mit
eigenen Worten vorstellen?
Natürlich, gerne sogar. Wie der Titel vielleicht schon verrät, es ist ein Liebesroman. Die Geschichte zweier Menschen, die in vielen Dingen verschieden sind, sich davon angezogen,
aber auch abgestoßen fühlen. Zwei Menschen, die trotzdem auch Gemeinsamkeiten aneinander entdecken und ihr jeweiliges Gegenüber spannend und faszinierend finden. Ich denke, etwas,
das wir alle schon einmal erlebt haben. Aber es geht auch noch um etwas anderes, obwohl ich es gar nicht betonen will, denn es sollte eigentlich unerwähnt sein. Schlussendlich ist
es nämlich genau das, was ich mit meinem Werk versuche zu erreichen. Ich habe einen behinderten Protagonisten erschaffen der, in meinen Augen, nicht liebens- und lesenswerter sein
könnte. Und am Ende sollte die Behinderung für den Leser genau so wenig ein Thema sein, wie für die Protagonistin.
– Den Lesern welcher anderer Autoren oder welcher anderen Romane würden Sie Ihr Buch ans Herz legen? Haben Sie literarische Vorbilder? Was sind Ihre eigenen
Lieblingsromane?
Ich möchte mein Buch gerne jedem ans Herz legen, unabhängig davon, welcher Roman gerade am Couchtisch liegt. Literarische Vorbilder habe ich keine, denn das würde bedeuten, dass
ich mir einbildete ihnen jemals das Wasser reichen zu können. Ich lese unfassbar gerne und bewundere andere Autoren seit ich besser um dieses Handwerk Bescheid weiß. Ich erkenne
nun genauer, welche Hilfsmittel sie verwenden, aber auch welches unglaubliche Können und Talent in den Werken und Autoren steckt. Dem nacheifern zu wollen, zu glauben, dass ich
das jemals könnte, scheint mir zu weit hergeholt. Ich lese von Liebesromanen, über Krimis bis hin zu Dokumentationen alles. Und fast jedes Buch lässt mich verändert zurück. Ich
erinnere mich an mein »erstes« Buch, das mich als junge Erwachsene, nach Jahren der Abstinenz wieder zum Lesen brachte. Es war »Morgen in der Schlacht denk an mich« von Javier
Marias. Dieses Buch hat mich dermaßen umgehauen, dass ich alle seine Romane verschlang und zur Leseratte mutierte. Ein anderes Werk, an das ich mich außerordentlich gut erinnern
kann, weil es von einer Art der Sprache, des Schreibens, des Denkens geprägt ist, die mir so unfassbar wertvoll scheint, die mich zu Tränen rührte, mir Angst machte und am Ende
doch Frieden schenkte war »Die Bücherdiebin« von Markus Zusak. Ich weiß nicht, wie ein Mensch in der Lage ist, so etwas wundervolles zu schreiben, wenn die Handlung an sich doch
so unfassbar hässlich ist. In meinen Augen ein Meisterwerk.
– Mit der Beziehung zwischen einer Karrierefrau und einem charismatischen rollstuhlfahrenden Mann haben Sie sich gleich in Ihrem Debüt an ein alles andere als alltägliches
Romanthema gewagt ... und ein anspruchsvolles obendrein. Was hat Sie zu Ihrem Buch und dem Thema inspiriert? Wie sind Sie die Arbeit an der Geschichte angegangen, um den richtigen
Mittelweg aus Ernsthaftigkeit und dennoch unterhaltsamen Buch zu treffen?
Hinter diesen kurzen und einfach scheinenden Fragen verbirgt sich in Wahrheit ganz viel. Eine ausführliche Beantwortung würde Seiten in Anspruch nehmen. Kurz auf den Punkt
gebracht sage ich, der Wunsch und der Drang zu Schreiben überfiel mich ganz plötzlich, vielleicht auch deshalb, weil diese Geschichte in irgendeiner Form schon seit jeher in mir
existierte. Ein einfaches Kindheitserlebnis legte meiner Meinung nach den Grundstein zu diesem Roman, begründete in mir das Interesse am Thema Behinderung und der Frage, wie diese
Menschen ihren Alltag leben. Jahre später kam ich erstmals selbst in die Position mich als Frau diskriminiert zu fühlen. Diese Empfindung war mir gänzlich neu, schockierte mich.
Zeitgleich fragte ich mich, ob und wie andere Menschen unter Diskriminierungen leiden. Und dann, driftete ich ab von der Realität hin zur Fiktion, erkannte, dass wir alle nicht
nur im wahren Leben diskriminiert und in Schubladen gesteckt werden, sondern auch in der Literatur. Wie viele Werke bedienen sich gängiger Klischees und Vorurteile? Und so fand
sich der Drang zum Schreiben in dem Wunsch etwas Ehrliches zu schaffen wieder. Die Arbeit selbst ging ich zu Beginn sehr ernsthaft, sehr strukturiert an, um mich dann, nachdem ich
meine Fragen und Unwissenheiten geklärt hatte, ganz auf meine Gefühle einzulassen und meiner Kreativität zu vertrauen.
– Welcher Aufwand steckt generell in Ihrem Buch, waren Sie sehr lange mit dem Stoff beschäftigt, ehe Sie den Schlusspunkt an den letzten Satz setzen konnten? Hatten Sie von
Anfang an damit gerechnet, dass das Schreiben eines ganzen Buches so viel - oder so wenig - Arbeit bereiten würde? Oder war der Weg vom ersten Satz bis zum fertigen Buch für Sie
selbst ein Pfad voller Überraschungen?
Ja! Das alles ist eine riesengroße Überraschung für mich. Der Wunsch zu Schreiben entstand aus der Furcht heraus, einmal nicht mehr zu sein. Und, wie in der vorigen Frage kurz
erklärt, als ich mich in einer Lebensphase befand, die mich belastete, spielte so vieles zusammen, dass es nur zum Schreiben führen konnte. Aber ich hatte nie vor einen Roman zu
schreiben. Erst als ich die hundert Seiten knackte dämmerte mir, was ich da wahrscheinlich tat. Und dann hielt ich inne, überlegte, sagte mir, okay, wenn ich schreibe, dann
richtig. Ich begann zu recherchieren, Fachliteratur zum Thema Querschnittlähmung zu lesen, trat diversen Blogs bei, tummelte mich auf sämtlichen Plattformen. Gleichzeitig las ich
Stilbücher, schließlich hatte ich keine Ahnung wie man einen Roman schreibt. Und nach all der Recherche und nach der unglaublichen Unterstützung, die ich von einem
Interviewpartner erhielt, machte ich mich ans Werk. Die rein geistige Arbeit dauerte etwa ein Jahr, bis ich alle Informationen gesammelt hatte, sich in mir eine Geschichte
entwickelte. Die erste Niederschrift erledigte ich in etwa drei Monaten, die Überarbeitung dauerte ein halbes Jahr. Dann reichte ich das Manuskript bei den Verlagen ein. Also
nein, ich wusste nicht, wie unglaublich viel Arbeit es ist ein Buch zu schreiben. Ich hatte das nie geplant, ich habe das Gefühl, irgendwie ist mir das passiert. Eine unfassbar
arbeitsintensive Zeit liegt hinter mir. Gleichzeitig eine Zeit, die mein Leben reich an Wissen macht, über andere Menschen, aber auch über mich selbst.
– Wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass Sie unter die Autorinnen gegangen sind? Und weshalb haben Sie sich dafür entschieden, den »klassischen Weg« über einen Verlag zu
wählen, anstatt Ihr Buch in Eigenregie zu vermarkten, wie es heutzutage sehr viele frischgebackene Autorinnen machen?
Nun, wie ich unter die Autorinnen gekommen bin, wissen Sie jetzt. Das war reiner Zufall! Aber eben weil ich nie Autorin sein wollte, bis zum Schluss für mich schrieb, niemals
daran glaubte etwas von Wert zu schaffen, es aber innigst hoffte, lag auf der Hand, dass ich mein Manuskript niemandem zeigen wollte. Mein Mann war es, der forderte, die ganze
Arbeit nicht auf sich beruhen zu lassen, sondern es zu versuchen. Und so war klar, dass nur ein klassischer Verlag in Frage kam. Dies wäre der Beweis, so dachte ich, dass mein
Manuskript Qualtität habe, wenn ich angenommen würde. Würde ich abgewiesen, wüsste ich, dass ich fürs Schreiben eben kein Talent hätte. Heute weiß ich, dass das nur die halbe
Wahrheit ist. Auch talentierte Autoren werden von Verlagen abgewiesen und so mancher Verlag druckt auch Werke eines schlechten Autors. Aber es ging auch noch um etwas anderes, es
ging noch immer um die tiefe Angst einfach verloren zu sein. Der Wunsch, meine Gedanken, schwarz auf weiß, gedruckt als Buch, von einem Verlag, der für lesenswert erachtet, was
ich geschrieben habe, in Händen zu halten, in mein Regal zu stellen und für immer zu bleiben.
– Was wünschen Sie sich vom deutschsprachigen Buchmarkt und von Ihrer Leserschaft im Speziellen? Haben Sie in den ersten Wochen seit ihrem Romandebüt schon einige Eindrücke
gesammelt oder gibt es Vorschläge und/oder Kritikpunkte, die Sie mit Ihren Lesern teilen oder Ihnen mitteilen möchten?
Eigentlich erwarte ich gar nichts. Ich weiß wie schwer es ist als Debütautorin LeserInnen zu finden. Jeden Tag erscheinen so viele neue Bücher, das macht es für Buchhändler und
auch Leser schwer sich zu entscheiden. Deshalb bin ich Ihnen - liebes Lesekanone-Team - sehr dankbar mein Werk hier vorzustellen, den Lesern zugänglich zu machen. Und ich bin
jedem Leser für seine Weiterempfehlung dankbar. In meinem privaten Umfeld funktionierte das ganz gut, ich hatte mit dem großen Interesse rund um mein Buch gar nicht gerechnet.
Auch nicht mit der wunderbaren Unterstützung der örtlichen Buchhändler, die mein Debüt gerne in ihr Sortiment aufnahmen.
– Was können wir von der Autorin Annette Böhler in der nächsten Zukunft erwarten? Sind bereits neue Buchprojekte in Planung?
Natürlich! Ich bin so richtig auf den Geschmack gekommen, kann die Finger gar nicht mehr von der Tastatur lassen. Im Jänner steht erstmal die offizielle Buchpräsentation samt
Lesung an, ein Highlight für mich. Danach sollte etwas Ruhe einkehren und mir erlauben mich ganz auf meinen zweiten Roman einzulassen. Ich stecke jetzt etwa in der Hälfte der
ersten Niederschrift, es liegt also noch ganz viel Arbeit vor mir, aber darauf freue ich mich sehr. Mein Nachfolgewerk zeigt die Geschichte eines Ehepaars, das sich im Laufe der
Jahre auseinandergelebt hat. Die familiäre Idylle nur ein Schein. Es kreist um die Frage, was ist Liebe, und wie hält man sie fest. Geht es also in meinem ersten Werk um das
Entstehen von Liebe, so geht es hier um deren Ende. Aber eine Sache wiederholt sich, mein Erstlingswerk pocht auf die Gleichwertigkeit eines jeden Menschen, und so wird es auch
mein zweiter Roman tun. Nur der Schauplatz ändert sich. Der Protagonist verbringt viel Zeit bei Hilfseinsätzen, setzt sich auch unter Aufbietung seines eigenen Lebens für die
Wahrung der Menschenrechte in den abgelegensten Regionen dieser Erde ein. Klar, dass die Ehe darunter leiden muss, vielleicht sogar daran scheitert.... Aber diese Geschichte muss
noch entstehen. Jetzt geht es um mein Erstlingswerk »Ohne dich wär ich nicht ich« und darum, dass ich jede Sekunde genieße, die sich rund um dieses Werk dreht. Ich habe so viel
investiert, jeder Leser, jedes Feedback, ist ein unglaublicher Lohn für mich.
Herzlichen Dank für die Möglichkeit mein Buch präsentieren zu dürfen. Ich hoffe, ich konnte den einen oder anderen neugierig machen...
Das Team von Leserkanone.de dankt Annette Böhler für die Zeit, die sie sich genommen hat!
|